Manfred Deix. Good Vibrations

25.05.-05.11.00

Wir freuen uns, im KunstHausWien eine Ausstellung ganz besonderer Art präsentieren zu können: Das Werk des österreichischen Karikaturisten und Satirikers Manfred Deix in einer Übersicht der letzten 45 Jahre. Die Ausstellung wurde konzipiert und zusammengestellt von Manfred Deix in Zusammenarbeit mit dem KunstHausWien.

Gezeigt werden ca. 300 Originalwerke, weiters Skulpturen,Videoinstallationen und Dokumentationen. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher Sprache.

Manfred Deix ist ein unerbittlich Begnadeter. Treffsicher wie ein Scharfschütze. Unbequem für eine verlogene Welt. Inmitten einer Welt, wie wir sie nicht wollen. Einer, den unsere Zeit nötig hat wie kaum etwas anderes. Mag sein, daß er es manchmal an Deutlichkeit des “caricare” nicht missen lässen. Nicht immer sanfte Kost für Zartbesaitete uns vorsetzt. Ist aber nicht gerade das seine Aufgabe?

Deix ist ein Alleskönner, ein verblüffender Tausendsassa, dem Dinge mit dem Pinsel gelingen, die man kaum für möglich hält. Das aber ist es nicht. Dahinter steht ein verletzlicher, ein mitleidender Mensch, der ohne es selbst plump herauszupredigen, an die bessere Welt glaubt; an eine, in der es zu leben lohnen würde. Immer wieder geht es einem vor seinen Bildern so, daß man perplex ist, spontan erst einmal hellauf lachen muß. Wie getroffen ist doch der oder die, wie köstlich! Doch das vergeht einem schleunigst, wenn sich ganz rasch danach einem die Kehle zuzuschnüren beginnt, der Gedanke, das Dahinter nicht mehr losläßt. Und man dann aus dem eigenen Inneren es aufsteigen spürt: recht hat er, natürlich, so ist es, genau so.

Dieses “caricare”, was im Italienischen wörtlich “übertreiben”, “überladen” bedeutet, gräbt sich mit seiner bildmäßigen Faszination geradezu in uns hinein. So spricht die fachliche Definition der Karikatur von einer “Darstellung, in welcher der Gegenstand unverkennbar getroffen ist, einzelne Merkmale aber in Übertreibung hervortreten...”. Genau damit ist so ein Bild in besonderer Weise befähigt, Augen zu öffnen.

Manfred Deix wurde 1949 als zweites Kind seiner Eltern Johanna und Franz Deix im nieder-österreichischen St. Pölten geboren. Vater Angestellter, Mutter Hausfrau - beginnt Deix selbst in einer bemerkenswerten autobiographischen Aufzeichnung, deren geradezu köstliche Originalität im folgenden zum Großteil wörtlich nachvollzogen wird:

“Vater seit 1941 wegen Weltkrieg II einarmig”, schreibt er. “Linker Arm weg. Ergo bin ich als Zweijähriger erstaunt, daß andere Väter einen Arm zuviel haben.” Man erzählt ihm später, daß er schon ab dem dritten Lebensjahr jedes erreichbare Papiersackl vollgezeichnet habe. “Zwei lesbische Wohnungsnachbarinnen kümmern sich bestens um mich (Tante Steffi, Tante Gusti). Mit 6 Jahren Übersiedlung ins eigene Haus (St. Pölten - Eisberg, Kleiststraße 24).” Zwei gleichaltrige Töchter von Nachbarsfamilien geben Gelegenheit zu ersten Studien. Er bezeichnet solche heute als “Gratisgesundenuntersuchungen, somit der Zeit schon weit voraus”, so daß er sich seit 1955 - er ist Schüler der Daniel-Gran Volksschule - durch “erste Verkäufe von Nackertzeichnungen an die aufgeweckteren Mitschüler (Stückpreis 10-15 Groschen)” frühe Erfolge verschaffen kann. Er vermerkt “vermehrte Zeichentätigkeit” als die Familie nach Böheimkirchen übersiedelt, wo die Eltern das Gasthaus “Zur blauen Weintraube” pachten. Die installierte Musicbox (Little Richard, Chuck Berry, Fats Domino, Elvis Presley), Fernsehapparat, Pianino, “diese Göttergeräte benütze ich täglich und zeichne rund um die Uhr.” Die Eltern beginnen die Berufsplanung des heranwachsenden Sohnes: “Wirst Wirt oder Fleichschhauer, verdienst einmal viel Geld”. Doch nach einem Jahr Hauptschule setzt sich die Begabung auffällig durch, er übersiedelt ins Bundesrealgymnasium St. Pölten (1960). Als er sich an einem Zeichenwettbewerb des ORF “Kleine Zeichenkunde” mit dem Thema “Der Rattenfänger von Korneuburg” beteiligt und ein Mörderbild einschickt, wird dieses disqualifiziert. Begründung: “Wir wollen Zeichnungen von Kindern, aber nicht von Erwachsenen und Profis! Bumm. Frust. Mein Religionsprofessor bietet mir 11jährigem daraufhin an, wöchentliche Comic-Strips für die Niederösterreichische Kirchenzeitung zu zeichnen. Mache ich und werde ein regionaler Star und ein anerkanntes zeichnerisches Wunderkind.”

Er schreibt daneben Krimis, macht eigene Comic-Hefte, zeichnet sich eigene (geheime) Daumenkinos (Thema Striptease), porträtiert Stammgäste, verkleidet sich als Frau und bringt alte Männer in Verlegenheit, illustriert seine Schulhefte, zeichnet Tiere, “schiache Leute, kurzum alles, was mich beeindruckt.” Früh schon folgt er seiner Zuneigung zu Katzen, hat schon ständig drei bis vier um sich, dann lernt er von einem boxenden Metzgergesellen das Boxerhandwerk, trainiert und zeichnet täglich.

Seine Berufspläne zu dieser Zeit als 14jähriger kreisen darum, entweder zeichnender Boxer oder boxender Zeichner zu werden. Dann wieder denkt er an eine Laufbahn als Frauenarzt. Doch auch erste Enttäuschungen kommen. “Sehe mit 14 eine gewisse Marietta, werde schwer nervös, buhle um sie, gehe mit ihr spazieren, rauche dabei heftig, mache aber zu wenig Eindruck. Sense.”

Als er von der “Graphischen” in Wien erfährt, tritt er 1965 dort ein, wo er gemeinsam mit den Kollegen und Freunden Bernhard Paul und Gottfried Helnwein, seine Studien beginnt. Die Großstadt bietet ihm das Gefühl großer Freiheit. “Wir leben von Miniaufträgen und schlagen uns irgendwie durch (die lustigste Zeit unseres Lebens, Tränenlachen Tag und Nacht).” Doch noch fehlt es an Ernst. “Schulschwänzen, deshalb nach zweieinhalb Jahren Hinauswurf aus der Schule. 1968 Inskription an der Akademie am Schillerplatz und Aufflammen der Marietta-Amour.”

Lebt nun in Wien, “viel Hunger und viel Hetz mit Helnwein und Marietta”, ab 1970 in einer Kleinstwohnung des III. Bezirks “mit Marietta, 2 Katzen, dann 3, dann 4, 5, 6 etc. Jobs für Zeitungen (profil, Trend etc.), inskribiere 1975, um dem Militär zu entkommen, zeichne für Neue Freie Presse vom Nenning, allmählich kennt man bißl meinen Namen. Marietta verkauft am Flohmarkt und in der Operngasse tiefstdekolletiert meine Zeichnungen sehr erfolgreich, während ich aus Sicherheitsabstand eifersüchtig das Geschehen beobachte. Aufträge häufen sich, Honorare sind mickrig.”

Doch dann sollte es so richtig losgehen. Er arbeitet für Stern und Spiegel, kann bald eine Wohnung in der Innenstadt beziehen, deren Leben er in vollen Zügen genießt: “Stammgast in allen möglichen Kaschemmen, Stehweinfallen, saufe mit letztklassigen Tschecheranten Nächte durch, trotzdem lustige Zeit.”

Sein Aufstieg ist nun steil. 1978 kann er zum ersten Mal die USA, vor allem Kalifornien bereisen. 1979 mietet er mit Marietta eine kleine Villa im XIV. Bezirk, wo ihn bereits 98 (!) Katzen umgeben. Die Aufträge werden immer spannender (pardon, Titanic etc.), was auch dazu beiträgt, daß er nicht dazu kommt, seinem Wunsch zu folgen, auch große Bilder zu malen. Ausstellungen und Verkäufe florieren. “Male nur Auftragsbilder und Cartoons für Magazine in BRD und Österreich, 1984 mit Marietta nach New York und Las Vegas (Hochzeit), nach L.A., treffe zum ersten Mal die Beach Boys persönlich in Beverly Hills.”

Er ist nun zu den erfolgreichsten Künstlern der gemalten Zeitkritik geworden. Man wartet auf seinen wöchentlichen Kommentar, seine Bildbände erreichen Phantasieauflagen, von Mal zu Mal sind seine Einfälle, seine Darstellungen tatsächlich hinreißender. Wie er lebt, schildert er selbst: “Arbeite, zeichne, rauche, saufe, 1988 Lungeninfarkt, Klinik, Übersiedlung nach Weidling, 1988 Nestroy-Ring, ab 1993 Werbeplakatserie für Casablanca-Tschick, 1995 Breakdown wegen Alk, ab November ‘95 Schluß mit lustig. Brave Phase bis heute... Das war in groben Zügen ein loser unvollständiger Lebenslauf.”

“Warum ich was zeichne” notierte Deix: “Weil ich von Kindheit an nichts lieber getan habe , als Leute zu beobachten, sie auszuspotten, sie nachzuäffen, zu sekkieren und zu schrecken und mit dem adäquaten Mittel der Karikatur eine Art Heimzahlung für ihre Blödheiten betreiben konnte.” Und er schließt: “... aber ich weiß, daß ich mich viel, viel mehr bemühe, ein Lieber und Guter zu sein, mein Ehrenwort...”

Billy Wilder schrieb: “... ich habe Deix niemals persönlich kennengelernt, aber ich bin einer seiner größten Bewunderer. Jedes Mal, wenn jenes österreichische Magazin erscheint, läuft mir das Wasser im Mund zusammen... Deix macht weder faule Witze noch einfältige Cartoons. Er kommentiert die condition humaine und tut das auf eine ätzende Weise, wie es sie seit Karl Kraus nicht mehr gegeben hat. Seine Themen sind diese ekelerregende Gemütlichkeit, die vorgibt, es sei eh nix passiert, und die Arroganz, die verkündet, den Walzer, den Guglhupf und den Handkuß habe man aus dem Ärmel geschüttelt, und die Donau sei so blau wie eh und je... Keine Sorge, Manfred Deix trifft als Scharfschütze so gut wie Wilhelm Tell in seiner besten Zeit.