Architektur

Hundertwasser, 1985
Fassade - Untere Weißgerberstraße
KUNST HAUS WIEN Detail
Hundertwasserhaus
Müllverbrennungsanlage Spittelau
Thermendorf Blumau
Modell für St. Barbara in Bärnbach. Museum Hundertwasser, Ausstellungsansicht
Flaschenfenster im Innenhof des KUNST HAUS WIEN

Alles, was waagrecht unter freiem Himmel ist, gehört der Natur.
Friedensreich Hundertwasser, Konkrete Utopien für die grüne Stadt, 1983

Beginnend mit dem Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur, in dem er sich 1958 gegen die „geometrisch gerade Linie“ wandte und Baufreiheit für alle Menschen forderte, schrieb Hundertwasser mit der Nacktrede für das Anrecht auf die dritte Haut und dem Manifest Los von Loos immer wieder und immer tiefgreifender gegen die seiner Meinung nach vorherrschende natur- und menschenunwürdige Bauweise an. Er war ein Visionär im Bereich der Architektur und Ökologie, und es dauerte entsprechend lange, bis er seine Forderungen nach „Baummietern“, dem „Fensterrecht“, „Dachbewaldungen“ oder dem „unebenen Boden“ in Wirklichkeit umsetzen konnte. Viele der Utopien, die Hundertwasser im Bereich der naturnahen Bauweise hegte, trugen maßgeblich zur Verankerung ökologischen Denkens in den Köpfen der Menschen bei.


Hundertwasserhaus

Dieser Gemeindebau im dritten Wiener Bezirk war das erste Projekt, in dem Hundertwasser seine Architekturvisionen verwirklichen konnte (Architekten: Josef Krawina und Peter Pelikan). Nach Fertigstellung des Rohbaus arbeitete er ein Jahr lang täglich Seite an Seite mit den Handwerkern auf der Baustelle. Die Fenster sind unregelmäßig angeordnet, Bäume wurden integriert, der Boden ist teilweise uneben. Die Dächer sind bewaldet und die terrassenförmige, verschachtelte Anlage wird von einem vergoldeten Zwiebelturm gekrönt. Auf die Eröffnung im Jahr 1986 folgten weltweit Dutzende andere Bauten, teilweise sogar in parallel ablaufenden Planungs- und Errichtungsphasen.

Spittelau

Unter den im KUNST HAUS WIEN ausgestellten Architekturmodellen ist das des Fernwärmewerkes Spittelau: ein Projekt, das in Wien auf das Hundertwasserhaus folgte und für die hitzigsten Diskussionen sorgte, die es je um eine Arbeit des „Architektur-Doktors“ gegeben hat. Er wurde 1987 dazu eingeladen, das abgebrannte Kraftwerk zu gestalten. Bürgerinitiativen wollten die Wiedererrichtung verhindern, ArchitektInnen und MedienvertreterInnen waren empört darüber, dass Millionen von Schillingen für die „Dekoration einer Dreckschleuder“ zur Verfügung gestellt werden sollten, Ökologie-Gruppierungen sahen darin einen Verrat an der grünen Ideologie. Hundertwasser nahm nach längerer Bedenkzeit den Auftrag an, da man ihm versicherte, dass mit dem Fernwärmewerk Spittelau die modernste und sauberste Müllverbrennungsanlage Europas entstehen würde. Er sah es als „Mahnmal für eine schönere, abfallfreie Zukunft“ (Brief an Hannes Minich, 1988). So wie das Hundertwasserhaus gehört die Anlage und ihr 126 Meter hoher, glänzender Schlot heute zu den Wahrzeichen und Touristenmagneten der Stadt.

Hundertwasser-Kirche St. Barbara in Bärnbach

Ein anderes Architekturmodell zeigt die Kirche St. Barbara in Bärnbach, die von 1987 bis 1988 im Zuge einer notwendigen Renovierung nach Entwürfen von Hundertwasser umgebaut wurde (Architekt: Manfred Fuchsbichler). Obwohl er auf sein Honorar verzichtete und auch für die Vergoldung des Zwiebelturms aufkam, war die Finanzierung des Projektes in der Steiermark nur durch einen gemeinsamen Kraftakt von Gemeinde, Diözese, Pfarre und der Bevölkerung möglich. Das Kirchenumfeld schließt einen Prozessionsweg mit zwölf Torbögen, die Symbole von zehn nicht christlichen Weltreligionen tragen, mit ein. Hundertwasser, der selbst oft von früh bis spät auf der Baustelle gearbeitet hatte, bezeichnete diesen Auftrag einer Kirchengestaltung als das schönste Geschenk, das er in seinem Leben bekommen habe.

Hügelwälderland: Thermendorf Blumau

Das Hügelwälderland-Modell im KUNST HAUS WIEN entstand ursprünglich 1989 für eine am Wiener Stadtrand geplante Wohnsiedlung. 1993 griffen Hundertwasser und Architekt Peter Pelikan die Idee wieder auf und adaptierten das Modell für das Thermendorf Blumau. Abgesehen von bereits bekannten gestalterischen Momenten konnten hier rund um die Thermen-Oaselandschaft unterschiedliche Behausungen für Gäste errichtet werden: Unterirdische „Waldhofhäuser“, die ihr Licht über Innenhöfe beziehen, entstanden nach Vorbild der Grubenhäuser in China und Tunesien. Die „Augenschlitzhäuser“ verfügen an einer Seite über eine ihrem Namen entsprechende Fassadenfront, ihre Baukörper ragen aber tief ins Erdreich. Im Inneren sind sie trotzdem hell. Die begrünten „Rehrückenhäuser“ schließlich können durchgängig vom Bodenniveau aus bewandert werden. Wie alle seine Architekturprojekte zeugt auch das Hügelwälderland von Hundertwassers Einsatz für Vielfalt anstelle von Monotonie, für Romantik, für das Organische und für unreglementierte Unregelmäßigkeiten.